Betrachtungen des Autors von

KÖNIG VON SIAM


Douglas Adams schrieb dereinst: "Alles was geschieht, geschieht". Insofern war die Entwicklung von KÖNIG VON SIAM unaufhaltsam . . .

Angefangen hat alles in Siam, respektive in Thailand. Über ein Jahr war ich dort als Lehrer angestellt und hätte bei der Gelegenheit gerne etwas mehr über die thailändische Geschichte erfahren. Das ist jedoch nicht so einfach, denn zumindest in den Internationalen Schulen, mit denen ich zu tun hatte, wurde nicht thailändische Geschichte, ja nicht einmal asiatische Geschichte gelehrt, nein die Geschichte Europas stand auf dem Programm. Also gab es keine Bücher, die ich lesen, und keine Lehrer, die ich fragen konnte. Doch das bißchen, das ich mir hier und da zusammenklauben konnte, faszinierte mich. Besonders wie es Siam gelang, der Kolonisierung zu entgehen. Ganz Südostasien war Anfang des 20. Jahrhunderts Kolonie von irgendwem – nur Siam nicht. Wie hat das Land das nur geschafft?

Die Idee eines Spieles war geboren: Wie wäre es, dachte ich mir, wenn verschiedene Fraktionen in Siam um die Mehrheit kämpfen würden, wobei aber jeder Spieler aber aufpassen muß, daß die Briten nicht kommen? Da es in Siam niemals offenen Bürgerkrieg gab, erschien mir ein Mehrheitenspiel passend. Die Mehrheiten sollten vielmehr für Einfluß verschiedener Familien stehen. Schon damals sollten die Briten kommen, wenn ein Machtkampf in einem Patt endete. Allerdings hätten bei einer Übermacht der Briten alle Spieler verloren. Auf diese Weise sollte das vorsichtige Lavieren der Fraktionen simuliert werden, bei dem ein offener Konflikt vermieden werden muß. Die Briten würden eingreifen, wenn ein Bürgerkrieg droht. Bürgerkrieg und Patt – dies schien mir ein auf der Hand liegender Zusammenhang. Leider funktionierte das Spiel in diesem Stadium nicht richtig. Und richtig originell war es auch nicht. Also wurde es erst einmal auf Eis gelegt.

Nach meiner Rückkehr und dem beruflich bedingten Umzug nach Berlin, lernte ich diverse Spieleautoren kennen und spielte regelmäßig deren und meine Prototypen. Bei einer dieser Testrunden (beim Spielen eines anderen Spiels) kam mir die entscheidende Idee: Die Spieler sollten nicht wie üblich ihre eigenen Spielsteine auf dem Brett haben, sondern sollten vielmehr abschätzen, welche Fraktion wohl gewinnen würde – ganz so wie es jetzt in den Regeln steht. Ich entschied mich mehr oder willkürlich für acht Provinzen und dachte mir acht passende Aktionen aus. Zunächst bekamen die Malaien, Laoten und Rama noch jeweils unterschiedliche Spezialaktionen, aber aus Gründen der Eleganz wurde dies schnell zu den jetzigen Karten Rama, Malai und Lao vereinfacht. Da ich acht Provinzen (jeweils mit eigener Machtübernahme) und acht Aktionen hatte, kam mir die Idee, daß die Aktionen für das ganze Spiel reichen mußten – dadurch sind die Aktionen der Spieler viel berechenbarer. Im Wesentlichen war das Spiel damals dasselbe wie das nun fertige Produkt. Das Vier-Personen-Spiel war ursprünglich kein Partnerspiel, doch bei vier unterschiedlichen Spielern und nur drei Fraktionen, kam es zu einer ziemlichen Gleichmacherei und zu geringem Einfluß des einzelnen. Ich spiele gerne Partnerspiele, insofern war der Schritt dorthin logisch und hat dem Spiel gut getan. (Anmerkung: Einige Spieler bevorzugen, beim Partnerspiel vollständig miteinander zu kommunizieren. Ich persönlich bin kein Freund davon, denn meiner Meinung nach lebt das Teamspiel gerade vom Versuch die Gedanken des Partners zu erraten. Wer aber lieber kommunizieren will, der kann dies tun. Dabei sollten aber beachtet werden, dass dem Partner keine geheimen Informationen mitgeteilt werden dürfen – alle Ansagen müssen offen und auch vor dem Gegner getroffen werden. Karten dürfen nicht gezeigt, aber angesagt werden.) Den letzten Schliff erhielt KÖNIG VON SIAM mit Hilfe von Richard Stubenvoll. Einige Kanten des Prototypen konnten noch gerundet werden, auch wurde die Karte den tatsächlichen politischen Grenzen angepaßt, und das Spiel stärker in Bezug zum historischen Kern gesetzt.

Die 3 Fraktionen standen von Anfang an fest: Im Süden lag mit Kedah ein muslimisches Reich. Auch heute noch kommt es im Süden Thailands zu Reibereien zwischen Muslimen und Buddhisten. Daher war diese Fraktion eine logische Wahl. Die Laoten sollten ursprünglich die Burmesen sein, doch im gewählten Zeitraum gab es keine Burmesen, die Einfluss auf Siams Politik gehabt haben. (Die Konflikte mit Burma waren zudem immer außenpolitischer und militärischer Natur). Das heutige Laos gehörte teilweise zu Siam und die Laoten haben das nicht als sehr angenehm empfunden. Beim aktuellen Spielplan ist die Heimatprovinz der Laoten übrigens wieder an der geographisch richtigen Stelle – beim Prototyp war sie zwischenzeitlich zu weit nach Westen gewandert. Ursprünglich hatten die Fraktionen jeweils zwei Heimatprovinzen, das wurde aber zugunsten eines flexibleren Spiels auf eine Heimatprovinz reduziert. Die Rama, die Königlichen, sind natürlich die wichtigste Fraktion. Im Prototyp war dies dadurch simuliert worden, daß der Machtkampf in Ayutthaya immer als letztes stattfand. Aber auch hier siegte spielerische Flexibilität über historische Zwänge.

Interessant ist übrigens, daß Intuition und Kombination die historische Realität korrekt erfaßte: Erst die Recherche für das End-Layout brachte das damalige siamesische Wappen zu Tage. In diesem finden sich exakt die 3 gewählten Fraktionen wieder – gewissermaßen als staatstragende Volksgruppen. Korrekterweise müßten die Malaien übrigens rosa sein, aber aus Gründen der Farbpsychologie und besseren Unterscheidbarkeit wurde das Rosa in Blau umgewandelt. – Man möge uns diesen Fehler verzeihen.

Heute besteht Thailand aus über 40 Provinzen, anno 1874 waren es sogar noch mehr. Folglich mußten ein paar zusammengelegt werden, um auf 8 Provinzen zu kommen. Hierbei habe ich mich ein sowohl von der Historie leiten lassen (Welche Provinzen waren damals wichtig?) als auch von ihrem aktuellen Bekanntheitsgrad.

Die Thais sind berühmt für ihr Mai pen Lai!Das macht nichts! — Hinter diesem Satz verbirgt sich eine gewisse Entspanntheit gegenüber dem Unbill des Lebens. Diese Entspanntheit schadet auch bei KÖNIG VON SIAM nicht: Wer versucht, jede Provinz zu beherrschen, verliert das Spiel. Die Kunst besteht darin zu entscheiden, welche Provinzen man dem Gegner auf keinen Fall überlassen darf. Niemand kann alle Fraktionen haben. Früher oder später sollte man sich entscheiden, welche Fraktion man nicht sammeln möchte. Unterschätzt wird übrigens oft die Aktionskarte Maharacha. Durch das Vertauschen von zwei Machtkämpfen, kann man nicht nur einen günstigen Machtkampf vorziehen (um z.B. die Unterstützungskarte Rama sinnvoll spielen zu können), sondern man kann auch eine Provinz, in der sich viele störende Anhänger befinden, erst einmal aufs Abstellgleis schieben. Die Anzahl der Anhänger ist limitiert – dies sollte ausgenutzt werden (insbesondere im Vier- Personen-Spiel liegt hier der Schlüssel zum Sieg!). Hat man sich einen Vorsprung von zwei Anhängern erspielt, so ist man einigermaßen sicher – diesen Vorsprung weiter auszubauen ist meist (aber nicht immer) nicht mehr nötig. Stattdessen sollte man lieber Anhänger einer zweiten Fraktion sammeln, um den Gegner unter Druck zu setzen und außerdem eine Absicherung zu haben. Natürlich kann es nicht schaden, die eigenen Aktionen erst einmal ein bißchen aufzusparen, vor allem wenn die favorisierte Fraktion günstig steht.

In diesem Sinne: Mai pen Lai!

Peer Sylvester, Berlin



Die Regeln zum Runterladen

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